Gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) wird oft als ein Bereich angesehen, in dem Photovoltaikprodukte mit unzureichender Wettbewerbsfähigkeit auf den Markt drängen. Björn Rau, technischer Leiter und stellvertretender Direktor des PVcomB am Helmholtz-Zentrum Berlin, hält diese Sichtweise jedoch für ungerechtfertigt. Er wies darauf hin, dass das fehlende Bindeglied bei der Einführung von BIPV an der Schnittstelle zwischen Bauindustrie, Bausektor und Photovoltaikherstellern liege.
Aus dem PV Magazine
Die rasante Entwicklung der Photovoltaikindustrie im letzten Jahrzehnt hat ihre jährlich neu installierte Leistung auf ein globales Marktvolumen von rund 100 Gigawatt (GWp) gebracht. Das bedeutet, dass jährlich etwa 350 bis 400 Millionen Solarmodule produziert und verkauft werden. Die Integration in Gebäude bleibt jedoch ein Nischenmarkt. Laut einem aktuellen Bericht des EU-Forschungsprojekts „Horizon 2020“ PVSITES wurden im Jahr 2016 nur etwa 2 % der installierten Photovoltaikleistung in Gebäudehüllen integriert. Diese geringe Zahl ist besonders bemerkenswert, da über 70 % des weltweiten Energieverbrauchs und etwa 40 % bis 50 % der Treibhausgasemissionen in städtischen Gebieten entstehen.
Um dem Treibhausgasproblem zu begegnen und die Stromerzeugung vor Ort zu fördern, haben das Europäische Parlament und der Rat 2010 die Richtlinie 2010/31/EU zur Energieeffizienz von Gebäuden erlassen, deren Kernkonzept „Niedrigstenergiegebäude“ ist. Diese Richtlinie gilt für alle Neubauten, die nach 2021 errichtet werden. Für Neubauten öffentlicher Einrichtungen ist sie seit Anfang dieses Jahres in Kraft.
Die Anweisung schreibt keine spezifischen Maßnahmen zur Erreichung des Niedrigstenergiegebäude-Status vor. Gebäudeeigentümer können Energieeffizienzmaßnahmen wie Isolierung, Wärmerückgewinnung und Energiesparlösungen in Betracht ziehen. Da die Gesamtenergiebilanz von Gebäuden jedoch ein regulatorisches Ziel ist, ist die aktive Stromerzeugung innerhalb oder um Gebäude herum für die Einhaltung der Niedrigstenergiegebäude-Standards von entscheidender Bedeutung.
Potenziale und Herausforderungen
Es besteht kein Zweifel, dass Photovoltaikanwendungen eine wichtige Rolle in der zukünftigen Architekturgestaltung oder der Sanierung bestehender Gebäudeinfrastruktur spielen werden. Der NZEB-Standard wird die treibende Kraft zur Erreichung dieses Ziels sein, aber nicht der einzige Faktor. Gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) kann genutzt werden, um vorhandene Bereiche oder Flächen für die Stromerzeugung zu aktivieren und so die Erweiterung städtischer Gebiete um Photovoltaikanwendungen ohne zusätzlichen Flächenbedarf zu ermöglichen. Das Potenzial für sauberen Strom aus integrierten Photovoltaiksystemen ist enorm. Wie das Becquerel-Institut 2016 herausfand, liegt der potenzielle Anteil der BIPV-Stromerzeugung am gesamten Strombedarf in Deutschland bei über 30 %, in südlicheren Ländern (wie Italien) sogar bei fast 40 %.
Doch warum spielen BIPV-Lösungen in der Solarenergiebranche noch immer eine marginale Rolle? Warum werden sie bei Bauprojekten bisher kaum berücksichtigt?
Um diese Fragen zu beantworten, organisierte das Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie (HZB) in Berlin im vergangenen Jahr ein Seminar, tauschte sich mit Akteuren aus verschiedenen Bereichen der BIPV aus und führte eine Bedarfsanalyse durch. Die Ergebnisse zeigen, dass das Problem nicht am Mangel an Technologie selbst liegt.
Auf dem HZB-Seminar räumten viele Fachleute aus der Baubranche, die an Neu- oder Sanierungsprojekten beteiligt sind, ein, dass es Wissenslücken hinsichtlich des Potenzials von BIPV und den dazugehörigen Technologien gibt. Den meisten Architekten, Planern und Bauherren fehlen schlichtweg die nötigen Informationen, um Photovoltaik in ihre Projekte zu integrieren. Daher bestehen viele Bedenken gegenüber BIPV, wie etwa mangelndes Design, hohe Kosten und übermäßige Komplexität. Um diese offensichtlichen Missverständnisse zu beseitigen, müssen die Bedürfnisse von Architekten und Bauherren oberste Priorität haben und das Verständnis der Sichtweise dieser Interessengruppen auf BIPV im Vordergrund stehen.
Die Transformation des Denkmodus
BIPV unterscheidet sich in vielen Aspekten von herkömmlichen Solaranlagen auf Hausdächern, die weder Multifunktionalität noch ästhetische Aspekte erfordern. Wenn Hersteller Produkte für die Integration in Gebäudekomponenten entwickeln wollen, müssen sie umdenken. Architekten, Bauherren und Gebäudenutzer erwarteten zunächst, dass die Gebäudehülle konventionelle Funktionen erfüllt. Die Stromerzeugung ist aus ihrer Sicht lediglich ein zusätzliches Attribut. Entwickler multifunktionaler BIPV-Komponenten müssen darüber hinaus folgende Aspekte berücksichtigen:
• Entwicklung kostengünstiger, maßgeschneiderter Lösungen für solaraktive Gebäudekomponenten mit variablen Größen, Formen, Farben und Transparenzen;
• Standards setzen und attraktive Preise anbieten (vorzugsweise anwendbar auf ausgereifte Planungstools wie Building Information Modeling (BIM));
• Durch die Integration von Baustoffen und Stromerzeugungskomponenten werden Photovoltaikkomponenten in neuartige Fassadenelemente integriert.
• Hat eine hohe Toleranz gegenüber vorübergehenden (lokalen) Schatten;
• Sorgen Sie für langfristige Stabilität, achten Sie auf die langfristige Dämpfung der Leistungsabgabe sowie auf die langfristige Stabilität und Verschlechterung des Erscheinungsbilds (z. B. Farbstabilität).
• Entwicklung von Überwachungs- und Wartungsplänen, die an die spezifischen Bedingungen vor Ort angepasst sind (Berücksichtigung der Installationshöhe, Austausch defekter Komponenten oder Fassadenelemente);
• Halten Sie gesetzliche und behördliche Anforderungen ein, beispielsweise in Bezug auf Sicherheit (einschließlich Brandschutz), Bauvorschriften, Energievorschriften usw.
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